Ich bin der Überzeugung, dass sich die Frage nach "dem guten Menschen" eng an die Frage nach dem Sinn des Lebens schmiegt. Denn alle Handlungen und Ziele des Menschen sind solange nur Mittel zum Zweck, zum Erreichen eines höheren Ziels, bis es in dieser "Sinn-Zweck-Kette" keines mehr davor gibt, bzw. man nicht in der Lage ist, weiter vorzudringen. Dieses erste Ziel nenne ich die Prämisse.
Ein einfaches Beispiel:
Ich gehe in den Supermarkt, um Kerzen und Wein zu kaufen.
Warum? Das tue ich, weil ich ein Candlelight-Dinner ausrichten möchte.
Warum? Um der werten Dame etwas Gutes zu tun...
...aber nur, um wiederum ihr Herz zu gewinnen. Um vielleicht irgendwann mit ihr ins Bett zu steigen. Um Nachkommen zu zeugen. (Bis hier ist der "Sinn" meinem Willen entsprechend, ab jetzt hat die Natur das Heft in der Hand.) Um den Fortbestand unserer Art zu sichern. Um der Evolution genüge zu tun.
Doch welche "Funktion" haben diese Kinder, hat diese Art? Wozu ist der Mensch überhaupt da?
Und schon sind wir beim heiligen Gral der Philosophen angelangt, woher komme ich, wohin gehe ich, was ist der Sinn. Den "Sinn des Lebens" werde ich im folgenden nur noch "Sinn" nennen.
Der "gute Mensch" kann scheinbar doch nur derjenige sein, der den Sinn unterstützt. Das klingt erst mal hart, ist aber harmlos: Denn der Sinn selbst scheint ja für jeden wieder individuell auswählbar zu sein, er ist wohl nicht festgelegt. Das Handeln des Einzelnen aber schon!
Dazu ein kleiner Exkurs:
Im Gegensatz zu den "harten" Formen der geistigen Fähigkeiten (im Extremen sind das die Logik / die Mathematik), die auf absoluten, präzisen und gesicherten Aussagen basieren, erlaubt (im allgemeinen Konsens) der Blick auf die humanistischen Bereiche, Sprache, Gesellschaft, etc. eine differenzierte Ansichtsmenge zu den Dingen. So ist es zum Beispiel im allgemeinen völlig natürlich, wenn wir akzeptieren, dass die Leute sich verschiedenen politischen Parteien zuordnen, und wir respektieren gegenseitig diese Standpunkte. Irgendwo gibt es sicherlich noch eine "Grauzone", als Beispiel möchte ich den Konflikt in der Medizin anführen, wo die Streit-Parteien sich uneinig sind, ob der Wirkung und dem Nutzen wissenschaftlich nicht erfasster alternativer Behandlungsmethoden.
Ich bin der Meinung, das man (auch in den "humanistischen Wissenschaften") die Differenzierung auf die Prämisse reduzieren kann. Mein Idealbild wäre der "humanistische Wissenschaftler" der den harten Gesetzen der Logik folgt, und die verschiedenen parallelen Standpunkte nur durch ihre verschiedenen Prämissen differenziert. Er setzt stets an der Wurzel der Kette, eben dem Sinn, an:
"Angenommen, der Sinn des Lebens wäre ..., dann wäre das optimale Handeln jetzt ..., was durch folgende harte Argumentationskette belegt wird: ...".
Dazu noch ein Beispiel:
Ich möchte nun unseren werten Herren nicht sämtliche Logik absprechen, und um dem genüge zu tun, nehmen wir einfach mal an, sie handeln alle wohlüberlegt, kompetent und vernünftig. Gäbe es jetzt keine Parteien mehr? Eigentlich wollen doch alle Parteien im Großen und Ganzen das Selbe: Mehr Arbeit, weniger Steuern einziehen, bessere Bildung, gesündere Umwelt... Die Tatsache, dass sie aber alle verschiedenes Handeln vorschlagen, lässt aber nur zwei Schlüsse zu:
Sie sind größtenteils unfähig, und bis auf eine, nämlich die, die den optimalen Vorschlag hat, "irren" alle. Der genannte optimale Vorschlag kann natürlich nicht der theoretisch optimale sein, da die den Parteien angehörenden Politiker auch nur begrenzte Geistesfähigkeiten besitzen, und so das theoretisch optimale Handeln nie ermitteln können. (Sie können es höchstens in lokalen Teilbereichen mal zufällig vorschlagen...)
Sie sind fähig, doch ist ihre Zielwahl durch ihre Ideologie, und ihr Bild vom Menschen geprägt, vor allem das seiner "Funktion", seinem Sinn.
Hoffen wir mal, das hier und jetzt auch 2. irgendwie zutrifft...
Nur was bitte, soll der Mensch denn jetzt machen, um gut zu sein?
"Allgemeine Bedienungsanleitung Mensch:"
finde die Prämisse, einfacher: Beantworte die Frage: "Was ist der Sinn des Lebens?"
Immer wenn du vor einer Handlungsentscheidung stehst, versuche zu ermitteln, welche Alternative dem in 1. ermittelten Sinn am ehesten genügt.
Nun ist 1. nicht ganz leicht; und 2. auch nicht viel einfacher...
Auf 1. möchte ich jetzt nicht näher eingehen... Da haben sich schon Gescheitere zu genüge mit befasst... (einige Ideen siehe Anhang)
Zu 2.: Hier profitiert der Mensch sehr von seiner Gabe der Prädiktion (Voraussicht). Das ist eine der größten Fähigkeiten, die der Mensch bekommen hat, als er sich (über den Affen) aus der Tierwelt abhob. Wir Menschen sammeln Erfahrungen, und können diese dazu einsetzen, die Folgen unseres Handelns, und des Handelns unserer Umwelt zu kennen, zu schätzen, zu simulieren oder sogar zu berechnen. (Eier werden fest, wenn man sie lange kocht; wahrscheinlich ist das Ei bald hart; Wenn ich den Topf auf den Herd stellen würde, Wasser und Ei hinein...; bzw. Die Temperatur im Ei beträgt nach 3 Minuten ~xx Grad.)
Nach diesen Verfahren muss man nun die Folgen seines Handelns ermitteln, die Wirkung auf sich selbst, Umwelt, Mitmenschen, und dann hart argumentieren, warum es dem Sinn genügt. Dann kann man dieses Handeln als "Gut" absegnen. Und es bedenkenlos durchführen.
Einige mögliche vereinfachte Sinnvorstellungen mit entsprechenden Überlegungen zu 2. siehe Anhang.
Viel Spaß!
Anhang: Sinn- und Handlungsvorschläge
Sinnlosigkeit (Determinismus)
Nach dem Urknall entstanden Quanten, Atome, Gase und daraus Planeten und auf einem davon, so wissen wir zumindest, irgendwann Tiere und Menschen. Dies alles passierte, weil kleinste Teilchen den physikalischen Gesetzmäßigkeiten folgten. Als Folge gibt es uns. Warum sollten wir einen tieferen Sinn haben? Wir können doch davon ausgehen, dass wir gar keinen Sinn haben, nur als Nebenprodukt dieser nutzlosen Entwicklung entstanden sind.
Die Konsequenz für mich ist, absolute Freiheit in meinem Handeln zu haben. Ich kann, wenn ich so glücklich bin, so leben wie bisher. Ich kann kurzsichtig egoistisch meinen Vorteil mehren. Ich kann weitsichtiger den Vorteil meiner gesellschaftlichen Umwelt mehren, in der Hoffnung, meinen eigenen so mehr zu steigern als bei kurzsichtigem Handeln. Ich kann bei Unzufriedenheit bedenkenlos in den Freitod gehen. Ich kann auch bedenkenlos anderen Menschen Schaden zufügen, da sie ebenfalls keinem irgend gearteten Ziel dienen, und ihre Zufriedenheit und Leistungen somit auch nicht.
Synthetische Sinngebung
bewusst
Ich akzeptiere die naturgegebene Sinnlosigkeit s.o. und suche mir dem bewusst einen neuen, "synthetischen" Sinn; wie z.B. Es den Menschen besser gehen zu lassen.
Auf dieses Beispiel bezogen: Ich handle so, das es möglichst vielen anderen Menschen besser geht.
religiös
Ich akzeptiere die scheinbare Sinnlosigkeit der naturwissenschaftlichen Theorie s.o., erkläre das wissenschaftliche Weltbild für gescheitert (zumindest im Bezug auf die Sinnfrage) und akzeptiere die Sinngebung einer Religon.
Ich handle, wie es mir das Christentum, der Islam, der Hinduismus, etc. pp. vorschlägt.
eingegebene Sinngebung
die Sinnfrage ist für mich durch ein gesellschaftlich vorgeschlagenes/vorgelebtes Konzept befriedigend gelöst, das ich nicht versuche, auf seine Urprämisse zu reduzieren. Ich akzeptiere z.B. "besitze eine hübsche Frau, zwei nette Kinder, ein Haus, ein Auto" oder "werde ein weltberühmter Rockstar" als Lebensziel, ohne nach den Gründen und Sinn dieses Wunsches zu forschen.
Ich versuche, die Frau, die Kinder, das Haus und das Auto zu ergattern bzw. ich lerne Gitarre, und nehme meine erste Platte auf...